In der Geschichte des pazifischen Luftkriegs nimmt Colonel Gregory "Pappy" Boyington eine Stellung eine besondere Rolle ein. Er verkörpert wie kaum ein anderer die Dissonanz zwischen militärischer Exzellenz und ziviler Inkompatibilität, zwischen dem disziplinierten Taktiker im Cockpit und dem autodestruktiven Rebellen am Boden. Während die offizielle Militärgeschichte ihn als den Träger der Medal of Honor und als das Ass der Asse des Marine Corps mit 28 bestätigten Abschüssen feiert, offenbart eine tiefere Analyse der Primärquellen und Zeitzeugenberichte ein weitaus komplexeres Bild: das eines Mannes, dessen Führungskompetenz aus seinen eigenen menschlichen Unzulänglichkeiten erwuchs.
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Die prägenden Jahre (1912–1941)
Das Trauma der falschen Vaterschaft
Um die psychologische Disposition Gregory Boyingtons zu verstehen, muss man seinen Ursprung in Coeur d'Alene, Idaho, betrachten, wo er am 4. Dezember 1912 geboren wurde. Seine Kindheit war geprägt von einer fundamentalen Lüge, die erst im Erwachsenenalter aufgedeckt wurde. Boyington wuchs in dem Glauben auf, sein Name sei Gregory Hallenbeck und sein Stiefvater, Ellsworth Hallenbeck, sei sein leiblicher Erzeuger.
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Erst als er nach seinem Abschluss als Luftfahrtingenieur an der University of Washington (1934) versuchte, in das United States Marine Corps einzutreten, kollabierte dieses Konstrukt. Die militärische Bürokratie forderte eine Geburtsurkunde, und die dort verzeichneten Daten offenbarten, dass sein leiblicher Vater Charles Boyington war. Diese Entdeckung im Alter von über 20 Jahren war ein psychologischer Schock, der eine lebenslange Rastlosigkeit auslöste. Er war ein Mann, der buchstäblich nicht wusste, wer er war, bis das Militär ihm eine Identität verlieh: die eines Marinefliegers.
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Der "Schwimmer von San Diego": Ein früher Warnschuss
Schon früh zeigten sich Boyingtons Tendenzen zur Selbstzerstörung, gepaart mit einer bizarren körperlichen Zähigkeit. Eine Anekdote aus seiner Zeit in San Diego (North Island) illustriert dies perfekt. Nachdem er beauftragt worden war, bei einer Party der Mannschaftsdienstgrade für Ordnung zu sorgen ("um den Alkohol fernzuhalten"), betrank er sich stattdessen selbst hemmungslos.
Als er die letzte Fähre zurück verpasste, rief er seine Frau an, die ihm wütend riet, er solle "verdammt noch mal schwimmen". Boyington nahm sie beim Wort. Er sprang in voller Uniform ins Wasser und versuchte, die fast einen Kilometer breite Bucht zu durchschwimmen. Dabei verlor er seine Kleidung und orientierte sich versehentlich an einem Licht am falschen Ufer, sodass er nackt genau dort wieder anlandete, wo er gestartet war. Ein Sergeant der Militärpolizei, der ihn aufgriff, kommentierte trocken: "Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber eines weiß ich: Sie müssen ein Marine sein.".
(6) Diese Episode war symptomatisch: Talentiert, furchtlos, aber im zivilen Leben völlig orientierungslos.
Flying Tigers (1941–1942)
Rekrutierung und finanzielle Anreize

Im Sommer 1941 rekrutierte die Central Aircraft Manufacturing Company (CAMCO) amerikanische Piloten für China. Für Boyington war der Beitritt zu den "Flying Tigers" (AVG) eine Flucht vor seinen Schulden. Die Bedingungen waren verlockend: Ein Gehalt von 675 Dollar pro Monat und eine Prämie von 500 Dollar für jedes zerstörte japanische Flugzeug.
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Taktische Realitäten über Burma
In China traf Boyington auf eine Realität, die jede Theorie des Luftkampfes auf die Probe stellte. Die AVG flog die Curtiss P-40 Tomahawk, ein Flugzeug, das robust, aber in Bezug auf Wendigkeit den japanischen "Zeros" und "Nates" unterlegen war.
Claire Chennault, der Kommandeur, predigte: "Kein Kurvenkampf (Dogfight)! Nutze die Sturzgeschwindigkeit, greif an und verschwinde (Hit and Run)." Boyington musste dies auf die harte Tour lernen. Bei seinem ersten Einsatz am 26. Januar 1942 über Rangun versuchte er instinktiv, mit einer japanischen Nate zu kurven. Sein Flügelmann Bob Prescott erinnerte sich entsetzt, wie Boyington "verrückt genug war, Kurven mit einer Nate zu drehen".
(7) Boyington beschrieb den Moment später drastisch: "Ich zog so viel G-Kraft, dass mir schwindelig wurde, und die ganze Zeit sah ich in die Mündungsläufe hinter mir." Er lernte schnell: Am 29. Januar erzielte er einen sauberen Treffer mit einer Drei-Sekunden-Salve.
(7)Der Konflikt mit Chennault
Das Verhältnis zu Chennault war toxisch. Boyington verließ die AVG im April 1942 vorzeitig. Ein bis heute umstrittener Punkt sind seine Abschusszahlen. Boyington bestand auf sechs Siegen, die AVG-Unterlagen bestätigen jedoch nur 3,5 (teilweise am Boden zerstört). Chennault entließ ihn unehrenhaft, was fast das Ende seiner Karriere bedeutet hätte.
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"Pappy" Boyington und die "Black Sheep"
Die militärhistorische Bedeutung der Marine Fighter Squadron 214 (VMF-214), populär als "Black Sheep" bekannt, ist geprägt durch die romantisierte Darstellung der Nachkriegsmedien. Um ihre Rolle adäquat zu bewerten, muss sie im Kontext der alliierten Offensive im Südpazifik ("Operation Cartwheel") und der spezifischen logistischen und personellen Herausforderungen des Jahres 1943 analysiert werden. Nach der Sicherung von Guadalcanal sahen sich die US-Streitkräfte mit der Notwendigkeit konfrontiert, die japanische Festung Rabaul auf Neubritannien zu neutralisieren, indem sie die Salomonen-Inselkette ("The Slot") sukzessive besetzten. In diesem operativen Vakuum, gekennzeichnet durch einen chronischen Mangel an einsatzbereiten Jagdverbänden und Materialermüdung, entstand die zweite Inkarnation der VMF-214.
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Reorganisation und Personalstruktur: Dekonstruktion des "Misfit"-Mythos
Die ursprüngliche VMF-214, bekannt als "Swashbucklers", hatte bereits zwei Kampfeinsätze absolviert, bevor sie nach Guadalcanal aufgelöst wurde. Ihre Piloten wurden in den allgemeinen Ersatzpool der Marine Aircraft Group 11 (MAG-11) überführt.
(3) Entgegen der später kultivierten Legende, die Einheit habe aus disziplinarisch auffälligen Kriminellen und Unruhestiftern bestanden, handelte es sich bei dem Personal, das Major Gregory "Pappy" Boyington im August 1943 auf Espiritu Santo zusammenzog, primär um "Replacements" – erfahrene Piloten und Neulinge, die administrativ heimatlos waren und auf Zuweisung warteten.
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Die Personalstruktur war heterogen. Sie umfasste kampferprobte Veteranen wie John Bolt, der später das einzige Ass des Marine Corps im Jet-Zeitalter werden sollte, und Chris "Wildman" Magee, dessen unkonventionelle Taktiken berüchtigt waren, sowie unerfahrene Leutnants.
(6) Die Einheit litt unter einem Mangel an Kohäsion, da sie nie zuvor als Verband trainiert hatte. Boyington, ein Veteran der American Volunteer Group (AVG, "Flying Tigers"), nutzte seine Erfahrung, um innerhalb von nur drei Wochen eine operative Einsatzbereitschaft herzustellen.
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Die Namensgebung der Staffel spiegelt die interne Kultur wider. Der ursprüngliche Vorschlag "Boyington's Bastards" wurde von der Marine-Pressestelle als zu provokant abgelehnt. Der Kompromiss "Black Sheep" (Schwarze Schafe) symbolisierte den Status der Piloten als Außenseiter des Systems, die aus verschiedenen Einheiten zusammengewürfelt wurden. Frank Walton, der Intelligence Officer (S-2) der Staffel, spielte eine entscheidende Rolle bei der Formung dieses Narrativs und der Koordination der Öffentlichkeitsarbeit, was die Moral der Truppe signifikant stärkte.
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Führungsstil unter Major Gregory Boyington
Boyingtons Führungsstil war idiosynkratisch und brach mit traditionellen militärischen Doktrinen. Mit 31 Jahren war er signifikant älter als seine Untergebenen, was ihm den Spitznamen "Pappy" (ursprünglich "Gramps") einbrachte.(9) Seine operative Philosophie priorisierte Ergebnisse in der Luft über Disziplin am Boden. Berichte von Piloten wie John Bolt und Chris Magee bestätigen, dass Boyington eine fast familiäre, aber leistungsorientierte Atmosphäre schuf.(7)
Boyington selbst war eine polarisierende Figur. Seine Vorgeschichte beinhaltete physische Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten und Probleme mit Alkohol, die bereits während seiner Zeit bei den Flying Tigers dokumentiert wurden.(11) Dennoch wurde er von seinen Piloten als brillanter Taktiker respektiert. Er führte oft durch Beispiel und wählte bewusst Flugzeuge in schlechtem Zustand ("War-Weary"), um seinen Piloten die besseren Maschinen zu überlassen und zu demonstrieren, dass fliegerisches Können über technischer Perfektion stand.(11)
Die Chance Vought F4U Corsair
Der operative Erfolg der VMF-214 ist untrennbar mit der Einführung und Beherrschung der Chance Vought F4U Corsair verbunden. Dieses Flugzeug repräsentierte einen Quantensprung in der Leistungsfähigkeit gegenüber der Grumman F4F Wildcat, brachte jedoch signifikante technische Herausforderungen mit sich.
Das Herzstück der Corsair war der Pratt & Whitney R-2800 Double Wasp Sternmotor, ein 18-Zylinder-Aggregat mit 46 Litern Hubraum und ca. 2.000 PS Leistung.
(15) Um diese Leistung in Schub umzuwandeln, war ein Propeller mit extrem großem Durchmesser (über 4 Meter) notwendig. Dies diktierte das charakteristische
Invert-Knickflügel-Design ("Gull Wing"). Diese Konfiguration ermöglichte ein
kurzes, robustes Fahrwerk bei gleichzeitiger Wahrung der Bodenfreiheit für den Propeller und reduzierte den Interferenzwiderstand zwischen Flügel und Rumpf.
(17)F4U-1 vs. F4U-1A
Während der Einsätze der VMF-214 kamen primär zwei Varianten zum Einsatz, deren Unterschiede maßgeblichen Einfluss auf die Kampfführung hatten.
Technisches Merkmal | F4U-1 "Birdcage" | F4U-1A (Spätere Produktion) | Operative Auswirkung |
Cockpithaube | "Vogelkäfig" (viele Streben) | "Bubble Canopy" (Blasenhaube) | Die -1A bot signifikant bessere Rundumsicht, entscheidend im Luftkampf ("Check Six"). 17 |
Sitzposition | Tief im Rumpf | Ca. 18 cm (7 Zoll) erhöht | Verbesserte Sicht über die lange Nase bei Landung und Taxiing. 21 |
Zündsystem | Röhrenförmiger Kabelbaum | "Cast-Filled" (Vergossen) | Erhöhte Zuverlässigkeit in der feuchten Tropenluft der Salomonen. 23 |
Landeklappen | Doppelspaltklappen | Modifiziert | Frühe Modelle hatten teils "Drooped Ailerons", die bei Landungen riskant waren. 22 |
Motor | R-2800-8 | R-2800-8 / -8W | Einführung der Wassereinspritzung (WEP) bei späten Modellen für Notleistung. 15 |
Operative Einschränkungen und Pilotenbelastung
Trotz ihrer Überle
enheit war die Corsair ein anspruchsvolles Waffensystem.- Sichtprobleme: Die extrem lange Nase der "Birdcage"-Variante machte das Rollen und Landen gefährlich. Piloten mussten in S-Kurven rollen, um Hindernisse zu sehen.(17)
- Trägerlandung: Aufgrund der harten Fahrwerksdämpfer neigte die Corsair beim Aufsetzen auf Trägerdecks zum "Bouncing" (Hüpfen). Dies führte dazu, dass die US Navy das Flugzeug zunächst an die landgestützten Marines abgab, während Navy-Staffeln (wie die VF-17 "Jolly Rogers") die Ausnahme blieben oder auf die F6F Hellcat setzten.(20)
- Ergonomie: Das Cockpit war nicht hermetisch abgedichtet. Piloten berichteten von Abgasdämpfen und Ölnebel im Cockpit, was zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Sichtbehinderungen führte ("Goggles covered in oil").(2)
- Hitze: Die Tropenhitze auf den Inselbasen verwandelte die Cockpits in Öfen, was die physische Erschöpfung der Piloten beschleunigte.(27)
Logistik und Lebensbedingungen an der Front
Die Einsatzbasis der VMF-214 verlagerten sich im Verlauf der Kampagne von Munda (New Georgia) nach Vella Lavella, immer näher an die japanischen Linien.
(2) Die Lebensbedingungen waren primitiv und hatten direkten Einfluss auf die Einsatzbereitschaft.
Die Piloten und Bodenmannschaften waren ständigen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Malaria, Dengue-Fieber und Hautkrankheiten ("Jungle Rot") waren all gegenwärtig.
(29) Der Flight Surgeon, Dr. Jim Reames, spielte eine kritische Rolle bei der Aufrechterhaltung der physischen Einsatzfähigkeit, oft durch unkonventionelle Methoden wie die Ausgabe von "Medical Brandy" zur Beruhigung der Nerven oder zur Behandlung von Erschöpfungszuständen.
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Der Alkoholkonsum war in der Staffel allgegenwärtig und wurde von Boyington nicht nur toleriert, sondern vorgelebt. Dies diente als Ventil für den extremen Stress der Einsätze. Anekdoten berichten von Diebstählen von Alkoholvorräten anderer Einheiten, was den Ruf der "Black Sheep" als undisziplinierte Truppe weiter festigte.
(12)Die "Baseball Cap"-Initiative
Ein bezeichnendes Beispiel für die Improvisationskunst der Einheit ist der Austausch mit den St. Louis Cardinals. Da die Standard-Militärmützen in der tropischen Feuchtigkeit schnell verrotteten, schrieb der Intelligence Officer Frank Walton an die Baseball-Liga. Die St. Louis Cardinals reagierten und schickten Baseballkappen. Im Gegenzug versprachen die Piloten, für jede Kappe eine japanische Maschine abzuschießen. Fotos belegen, wie Piloten wie Chris Magee und Boyington mit diesen Kappen und erbeuteten japanischen Flaggen posierten, was sowohl der Moral als auch der Public Relations in der Heimat diente.
(7)September – Oktober 1943
Die erste "Combat Tour" der VMF-214 war geprägt von der Etablierung neuer Taktiken und der Auseinandersetzung mit der japanischen Luftüberlegenheit über Bougainville.
Der "Fighter Sweep"
Traditionelle Doktrinen verlangten von Jagdfliegern oft engen Begleitschutz ("Close Escort") für Bomber. Boyington und erfahrene Piloten wie John Bolt erkannten, dass dies die Stärken der Corsair – Geschwindigkeit und Sturzflugvermögen – negierte und sie anfällig für die wendigen A6M Zeros machte.
(6) Boyington setzte sich für aggressive "Fighter Sweeps" ein: Reine Jagdvorstöße, die weit vor den Bomberverbänden in den feindlichen Luftraum eindrangen, um die japanische Jagdabwehr zu provozieren und zu dezimieren, bevor die Bomber eintrafen. Diese offensive Auslegung der Luftüberlegenheit (Offensive Counter Air) wurde zum Markenzeichen der Black Sheep.
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Signifikante Gefechte der ersten Tour:
- 16. September 1943 (Ballale): Beim Begleitschutz für Dauntless-Sturzkampfbomber gegen den Flugplatz Ballale erzielte die Staffel 11 bestätigte Abschüsse (davon 5 durch Boyington), verlor jedoch Captain Bob Ewing. Dies war der erste große Test der Einheit.(28)
- 26. September 1943 (Kangu Hill): Ein koordinierter Einsatz mit anderen Einheiten führte zu schweren Beschädigungen an den Maschinen von Rinabarger und Mullen. Mullen gelang dennoch ein Abschuss.(28)
- 30. September 1943 (Friendly Fire): Ein tragischer Vorfall ereignete sich, als Leutnant Bob Alexander versehentlich von einem US-PT-Boot (PT-126) beschossen und getötet wurde – ein Indikator für die komplexe und chaotische Natur der Operationen in den engen Gewässern der Salomonen.(28)
Die Kahili-Mission vom 17. Oktober 1943
Dieser Einsatz gilt als Meisterstück von Boyingtons Führung. Er führte 24 Corsairs über den stark verteidigten Flugplatz Kahili auf Bougainville, wo ca. 60 japanische Jäger stationiert waren. Anstatt den Sektor zu verlassen, kreiste Boyington provokant über dem Feld und nutzte den Funk, um den japanischen Kommandeur auf Englisch zu verhöhnen und zum Kampf aufzufordern.
(9) Die Japaner nahmen die Herausforderung an und starteten. In der folgenden Schlacht schossen die Black Sheep 20 feindliche Flugzeuge ab, ohne einen einzigen eigenen Verlust zu erleiden. Dieser Erfolg validierte die Taktik des aggressiven Fighter Sweeps und demonstrierte die Überlegenheit der Corsair in der "Boom-and-Zoom"-Rolle gegenüber der Zero.
(5)November 1943 – Januar 1944
Nach einer kurzen Ruhephase in Sydney und Espiritu Santo kehrte die Staffel Ende November 1943 an die Front zurück. Der operative Fokus verschob sich nun auf die Neutralisierung von Rabaul, der Hauptbasis der Japaner im Südpazifik.
Die Schlacht um Rabaul
Die Einsätze gegen Rabaul erforderten Langstreckenflüge an der Grenze der Reichweite der Corsair. Die Luftkämpfe im Dezember 1943 erreichten eine beispiellose Intensität. Zwischen dem 17. Dezember und Anfang Januar war die Staffel fast täglich in schwere Gefechte verwickelt.2 In diesem Zeitraum stiegen die Abschusszahlen dramatisch. Piloten wie Robert Hanson (der später zur VMF-215 wechselte und 25 Siege erzielte) und Chris Magee demonstrierten außergewöhnliches Können. Die Staffel beanspruchte allein am 23. und 28. Dezember Dutzende Abschüsse.1

Statistische Bilanz der VMF-214 (Sep 1943 - Jan 1944)
Die Effizienz der Einheit in ihren zwei Kampftouren (insgesamt nur 84 Tage) ist statistisch bemerkenswert:
- Bestätigte Luftsiege (Air-to-Air): 97 (1)
- Gesamt Zerstört/Beschädigt: 203 Flugzeuge (1)
- Produzierte Fliegerasse: 8 (1)
- Verlustrate: Im Verhältnis zu den Abschüssen extrem niedrig, was die Robustheit der F4U und die Qualität der Ausbildung unterstrich.
6. Der 3. Januar 1944: Boyingtons letzter Einsatz
Der letzte Einsatz von Major Boyington ist von Mythen umgeben, die durch historische Forschung korrigiert werden müssen.
Am Morgen des 3. Januar 1944 startete Boyington von Bougainville zu einem Sweep über Rabaul. Sein Ziel war es, den Rekord von Eddie Rickenbacker (26 Abschüsse im Ersten Weltkrieg) zu brechen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Boyington 25 anerkannte Siege (inklusive seiner 6 AVG-Abschüsse).
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Entgegen populärer Darstellungen flog Boyington an diesem Tag nicht ein Flugzeug mit dem Namen "Lulubelle" oder "Lucybelle" und der Nummer 86. Bruce Gamble und andere Historiker haben nachgewiesen, dass "Lulubelle" primär für PR-Fotos am Boden genutzt wurde. Tatsächlich flog Boyington an diesem Tag eine F4U-1A mit der Bureau Number (BuNo) 17915.
(14) Sein Flügelmann, Captain George Ashmun, pilotierte die BuNo 02723.
(35)Der finale Luftkampf
Über Rabaul griff Boyington eine Formation von Zeros an.
- Sieg Nr. 26: Er schoss eine Zero ab, die durch die Wolken stieg, und egalisierte damit Rickenbackers Rekord.(13)
- Trennung: Im anschließenden Sturzflug wurden Boyington und Ashmun vom Rest der Staffel getrennt und sahen sich einer Übermacht von ca. 12-20 Zeros gegenüber.
- Siege Nr. 27 & 28: Boyington schoss zwei weitere Zeros ab, während er versuchte, seinen Flügelmann zu schützen. Ashmuns Flugzeug (BuNo 02723) wurde jedoch getroffen und stürzte ab; Ashmun gilt bis heute als MIA (Missing in Action).(13)
- Abschuss: Boyingtons Maschine (BuNo 17915) wurde schwer beschädigt (Treibstofftank in Brand geschossen). Er sprang in geringer Höhe ab und landete im St.-Georgs-Kanal.(13)
Gefangenschaft
Boyington wurde von einem japanischen U-Boot aufgenommen. Seine Gefangennahme wurde dem Roten Kreuz nie gemeldet, weshalb er als gefallen galt. Er verbrachte 20 Monate in Kriegsgefangenschaft (u.a. im Geheimgefängnis Ofuna), wo er Folter und Verhören ausgesetzt war.
(11) In der Gefangenschaft zeigte sich Boyingtons wahre Führungsqualität. Obwohl er selbst nur noch 50 Kilo wog und an Beriberi litt, übernahm er die moralische Führung. Er meldete sich freiwillig für den Küchendienst – eine Position, die er nutzte, um systematisch Lebensmittel zu stehlen und an seine halb verhungerten Männer zu verteilen.
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Ein Mitgefangener, William Dixon, beschrieb Boyington als den "Lead Honcho". Im Gegensatz zu anderen Offizieren, die passiv blieben, riskierte Boyington täglich Prügel, um Reis oder Reste zu organisieren. Er trank sogar mit seinen Wärtern, um sie zu manipulieren.(14)
Rückkehr und Nachkriegschaos
Auferstehung und Absturz
Boyingtons Befreiung im August 1945 glich einer Wiederauferstehung. Seine Rückkehrparty im St. Francis Hotel in San Francisco wurde legendär – das LIFE Magazin druckte Bilder, die erstmals offenen Alkoholkonsum in diesem Rahmen zeigten.(1) Er erhielt die Medal of Honor von Harry S. Truman, der ehrfürchtig sagte: "Ich hätte lieber diese Medaille, als Präsident zu sein."
Doch der Frieden bekam ihm nicht. 1947 wurde er aus dem Dienst verabschiedet. Es folgte ein tiefer Fall in den Alkoholismus. Boyington jobbte als Bierverkäufer und – als tragischer Tiefpunkt – als Ringrichter beim Profi-Wrestling, wo der Kriegsheld zur Zirkusfigur degradiert wurde.
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Erst sein Buch "Baa Baa Black Sheep" (1958) und die spätere TV-Serie brachten ihm finanzielle Stabilität, auch wenn er sich später bei seinen Männern für die fiktionalisierte Darstellung entschuldigen musste. Er starb 1988 an Krebs.
Sein ehemaliger Pilot Ed Olander fasste es am besten zusammen:
"Er war vielleicht ein Raubein, er hat vielleicht zu oft zu viel Whiskey getrunken... aber er liebte und unterstützte die Männer, mit denen er kämpfte. Und er bot eine Qualität der Führung, zu der nur wenige andere fähig waren." (9)
Warst du als Kind auch ein Fan der TV-Serie "Pazifikgeschwader 214" (Ba Ba Black Sheep)? Schreib es mir in den Kommentaren!
Anhang: Statistische Übersicht der Luftsiege und Einsätze
Parameter | Daten | Kontext/Quelle |
Dienstzeit AVG | 1941–1942 | "Flying Tigers" in China/Burma |
Abschüsse AVG | 6 (beansprucht) / 3.5 (bezahlt) | Umstritten; Bezahlung für 4.5 (inkl. Boden) dokumentiert |
Dienstzeit VMF-214 | Sep 1943 – Jan 1944 | "Black Sheep" auf den Salomonen |
Abschüsse USMC | 22 | Bestätigte Luftsiege mit der Corsair 17 |
Gesamtzahl | 28 | Top-Ass der Marines (oft als 26 + 2 unbestätigte gerechnet) |
Besondere Auszeichnungen | Medal of Honor, Navy Cross | Verliehen für "extraordinary heroism" |
I did read a lot I didn't know about Boyington! What a legend
AntwortenLöschenHe is! More Legends to come here. There are so many stories to be told...
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