Das Technikmuseum "Hugo Junkers" in Dessau ist weit mehr als eine statische Sammlung historischer Flugzeuge. Es ist ein Ort, der die Geschichte der industriellen Moderne, verortet am ehemaligen Werksgelände der Junkers-Flugzeug- und Motorenwerke, auf faszinierende Weise lebendig macht. Am historischen Junkers-Flugplatz gelegen, wo Visionen in die Realität umgesetzt wurden, dient das Museum als zentrale Begegnungsstätte für alle, die sich für Technik und Geschichte begeistern.
Die Mission des Trägervereins, der "Verein des Technikmuseums 'Hugo Junkers' e. V.", besteht seit seiner Gründung am 12. August 1992 darin, eine Institution zu schaffen, die die innovative Industriegeschichte der Stadt Dessau und ihrer Umgebung umfassend darstellt. Der Name des Museums signalisiert dabei, dass es insbesondere die Ära von Professor Hugo Junkers beleuchtet, der mit seinen bahnbrechenden Entwicklungen die Technologie, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur Dessaus prägte und die Luftfahrt national wie global revolutionierte.
Die Wahl des Standorts auf dem ehemaligen Junkers-Areal, dem zweiten Junkers-Flugplatz, ist ein entscheidendes Element der musealen Erzählung. Es ist kein beliebiger Ort, sondern der "heilige Boden" des deutschen Ingenieurwesens, wo die Luftfahrtpioniere tatsächlich arbeiteten und ihre Maschinen bauten. Diese physische Präsenz am historischen Ort schafft eine unübertroffene Authentizität, die es dem Besucher ermöglicht, die Geschichte direkt zu spüren. Der Standort macht die Vergangenheit nicht nur nachvollziehbar, sondern greifbar, was für die Vermittlung der komplexen Historie des Junkers-Konzerns von zentraler Bedeutung ist. Die Exponate stehen dort, wo ihre Vorbilder einst entwickelt, getestet und in die Welt entsandt wurden.
Hugo Junkers
Ein Leben für die Technik – Mehr als nur Flugzeuge
Hugo Junkers gilt als einer der bekanntesten und einflussreichsten Erfinder und Unternehmer des 20. Jahrhunderts. Sein Lebensmotto "Ein Leben für die Technik" bringt seine umfassende Vision und sein unermüdliches Streben nach Innovation prägnant auf den Punkt. Die Ausstellung in Dessau verdeutlicht, dass Junkers' Genie weit über den Flugzeugbau hinausreichte und seine Karriere bereits lange vor seinen Luftfahrtambitionen mit bedeutenden technischen Errungenschaften begann.
Das Museum präsentiert eine breite Palette von Junkers' frühen Erfindungen im Bereich der Thermotechnik. Dazu gehören Warmwasser-Apparaturen, Kalorimeter, Kaloriferen sowie Gas- und Elektroherde. Diese frühen Patente und Produkte, die er unter anderem in seiner 1895 gegründeten Firma Junkers & Co. entwickelte, brachten ihm nicht nur Anerkennung und einen Lehrstuhl für Mechanik, sondern auch die finanziellen Mittel, die er später in seine geheime Leidenschaft, die Luftfahrt, investieren konnte. Die Tatsache, dass das Museum diese frühen Werke ausstellt, zeigt Hugo Junkers' ganzheitlichen, interdisziplinären Ansatz und widerlegt die Annahme, er sei ein eindimensionaler Flugzeugbauer gewesen.
Ein weiterer entscheidender Aspekt von Junkers' Vermächtnis ist die fruchtbare Zusammenarbeit mit der Bauhaus-Bewegung. Die Werke von Hugo Junkers und die visionären Ideen der Bauhaus-Meister in Dessau, allen voran Marcel Breuer, fanden in der gemeinsamen Ausrichtung auf die „technische Moderne“ eine gemeinsame Basis. In enger Kooperation mit den Junkers-Werken nutzte Breuer die Möglichkeiten der Fertigungstechnologie, um seine berühmten Stahlrohrmöbel zu entwickeln. Diese Symbiose von Funktionalität, Ingenieurwesen und Ästhetik manifestierte sich auch in der sogenannten "Junkers-Stahlpaneel-Bauweise". Im Museum kann das weltweit einzig noch erhaltene Gebäude in dieser Bauweise besichtigt werden, das 1933 erbaut und 2002 sorgfältig restauriert wurde. Dieses Haus und eine Stahllamellendachkonstruktion auf dem Freigelände demonstrieren, wie Junkers' ingenieurtechnische Prinzipien des Ganzmetallbaus aus dem Flugzeugbau in der Architektur angewendet wurden, um stabile, langlebige und formschöne Strukturen zu schaffen. Die Ausstellung dieser Exponate ist kein Randthema, sondern der Beweis, dass Junkers' visionäres Wirken die Gestaltung des modernen Lebens in seiner Gesamtheit anstrebte.
Die Wellblech-Ära
Das Herzstück der Ausstellung in Dessau ist der Flugzeugbau, für den Junkers weltweit berühmt wurde. Hier stehen die Junkers F 13 und die Ju 52 als herausragende Beispiele seiner visionären Konstruktionsprinzipien.
Die Junkers F 13: Die Urmutter der Zivilluftfahrt

Die Junkers F 13, die 1919 ihren Erstflug in Dessau absolvierte, gilt als das erste Ganzmetall-Kabinen-Verkehrsflugzeug der Welt. Ihre Einführung markierte den Beginn einer neuen Ära in der zivilen Luftfahrt.9 Die technologische Brillanz der F 13 lag in ihrer einzigartigen Konstruktion. Sie verwendete eine selbsttragende Ganzmetall-Bauweise aus Duraluminium, deren Wellblech-Haut nicht nur leicht, sondern auch extrem stabil und witterungsbeständig war. Ein weiteres Merkmal waren die freitragenden, dicken Tragflächen, die ohne stützende Seile oder Streben auskamen – eine revolutionäre Neuerung für die damalige Zeit. Für die Passagiere bot die F 13 einen bis dahin ungekannten Komfort: eine beheizbare und geschlossene Kabine mit verglasten Fenstern. Trotz des Produktionsstopps im Jahr 1933 aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung, war die F 13 in über 40 Ländern auf der ganzen Welt im Einsatz.
Im Museum ist ein beeindruckender Nachbau der F 13 zu sehen. Ein besonderes Merkmal dieses Exponats ist, dass es direkt in der großen Museumshalle vor den Augen der Besucher entstand. Eine Arbeitsgruppe aus engagierten Freiwilligen hat das Flugzeug in akribischer Handarbeit wieder zum Leben erweckt. Der Nachbau, der in enger Zusammenarbeit mit anderen luftfahrthistorischen Einrichtungen wie dem Deutschen Museum in München entstand, wo eine original Wellblech-Pressform für die Anfertigung der Aluminiumbleche zur Verfügung stand, demonstriert die handwerkliche Präzision und das immense Engagement, das in die Wiederbelebung dieses historischen Flugzeugs floss.
Die Junkers Ju 52/3m: "Tante Ju"
Die Junkers Ju 52, liebevoll "Tante Ju" genannt, ist zweifellos das prominenteste Exponat des Museums. Sie wurde 1931 konstruiert und entwickelte sich dank ihrer robusten Bauweise, ihrer hervorragenden Flugeigenschaften und ihres hohen Sicherheitsstandards schnell zu einer Luftfahrtlegende. Als das Rückgrat der Lufthansa trug sie maßgeblich zur Etablierung des zivilen Passagierverkehrs bei, bot Passagieren einen damals unerreichten Komfort und wurde zum Wegbereiter der modernen Luftfahrt.
Die Geschichte des in Dessau ausgestellten Exemplars ist besonders fesselnd. Es handelt sich um eine Ju 52, die im Zweiten Weltkrieg im April 1940 während des Norwegenfeldzugs in einem See nahe Narvik sank. Das Flugzeug wurde 1986 aus dem Wasser gehoben und kam 1995 zurück nach Dessau. In einem aufwendigen Restaurierungsprozess, der sich bis 2003 erstreckte, wurde es in seinen ursprünglichen Zustand versetzt. Heute ist es das Herzstück der Ausstellung und bietet Besuchern ein einzigartiges Erlebnis: Die Kabine ist begehbar. Einblicke in das Innere offenbaren die spartanischen, aber damals luxuriösen Bedingungen, von den "ziemlich bequemen" Sitzen bis zur rudimentären Bordtoilette. Der Blick in das Cockpit und auf die originalen Reste der Funkanlage vermitteln einen unmittelbaren Eindruck von der damaligen Hightech-Ausstattung.
Die Präsentation der F 13 und der Ju 52 als Pioniere der Zivilluftfahrt ist die offizielle Erzählung des Museums. Eine tiefere Betrachtung der Geschichte zeigt jedoch, dass die robuste Junkers-Technik ein Janusgesicht hatte. Die Ju 52 wurde im Zweiten Weltkrieg nicht nur als Transportflugzeug, sondern auch als Bomber eingesetzt, was sie zu einem Symbol des Blitzkriegs machte. Dieselbe solide Konstruktion, die einst den zivilen Luftverkehr revolutionierte, wurde zum Werkzeug des Krieges. Das Museum thematisiert diese ambivalente Natur indirekt und fordert den Besucher auf, diese Komplexität zu reflektieren.
Junkers' breiteres Erbe
Das Technikmuseum "Hugo Junkers" geht bewusst über die reine Luftfahrt hinaus, um das gesamte technologische Wirken von Hugo Junkers darzustellen. Diese umfassende technologische Vision wird in weiteren Exponaten sichtbar, die seine interdisziplinäre Genialität untermauern.
Ein zentrales Highlight auf dem Freigelände ist der historische Junkers-Großwindkanal. Dieses technische Denkmal, das die aerodynamischen Forschungen im Junkers-Flugzeugbau dokumentiert, wurde 1934 von Philipp von Doepp entworfen und diente als Prototyp für den Bau ähnlicher Anlagen in Warschau und Moskau. Seine Einstufung als technisches Denkmal im Jahr 1984 geht auf eine Initiative ehemaliger Dessauer Junkers-Mitarbeiter zurück.
Junkers' Einfluss erstreckte sich auch auf den Motorenbau und die Schienenfahrzeugtechnik.2 Das Museum zeigt nicht nur Flugzeugmotoren und Strahltriebwerke, sondern auch Kühlzugwaggons, deren Dieselmotoren auf Junkers' Prinzipien basierten. Diese Exponate illustrieren, wie die grundlegenden ingenieurtechnischen Prinzipien, die in der Flugzeugkonstruktion perfektioniert wurden, in anderen Industriezweigen Anwendung fanden. Die verschiedenen Ausstellungsstücke, von thermotechnischen Geräten bis zu den Kühlzugwaggons, sind keine isolierten Objekte, sondern Teil einer kohärenten technologischen Vision.
Zudem betreibt das Museum Sammlungs- und Forschungstätigkeiten. Dazu gehört eine Präsenzbibliothek mit Patentschriften, die die wissenschaftliche Erforschung von Junkers' Lebenswerk unterstützen. Die Zusammenarbeit mit anderen Forschungseinrichtungen und Museen unterstreicht die Rolle des Technikmuseums als eine lebendige und wissenschaftlich ausgerichtete Institution.
Die Junkers-Werke im Nationalsozialismus
Die Geschichte der Junkers-Werke in Dessau kann nicht ohne die Aufarbeitung des Kapitels unter dem Nationalsozialismus erzählt werden. Von 1933 bis 1945 entwickelte sich die Stadt Dessau zu einer der führenden Rüstungsmetropolen des Deutschen Reiches. Die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG (JFM), die 1936 aus der Fusion zweier Junkers-Firmen entstanden, waren einer der bedeutendsten Rüstungskonzerne des Landes.
Ironischerweise wurde Hugo Junkers selbst bereits 1933 von den Nationalsozialisten aus seiner eigenen Firma gedrängt, da er sich gegen die militärische Nutzung seiner Patente aussprach. In den Folgejahren wurden die Junkers-Werke zu einem integralen Bestandteil der deutschen Kriegsmaschinerie. Zehntausende Arbeitskräfte produzierten Rüstungsgüter für die Wehrmacht, und ab 1943 wurden Teile des Geländes auch zur Unterbringung von Zwangsarbeitern genutzt. Diese Zwangsarbeiter, die in Lagern auf dem Werksgelände oder in nahegelegenen Kasernen untergebracht waren, waren während der Bombenangriffe auf die Stadt häufig schutzlos. Die massive Rüstungsproduktion machte Dessau zu einem strategischen Ziel für alliierte Bombenangriffe. Trotz der schweren Schäden, die Verwaltungsgebäude und Werkshallen erlitten, wurde die Produktion durch Auslagerung an andere Standorte nur unwesentlich gestört.
Das Museum steht somit auf einem Gelände, das nicht nur die Wiege technischer Pionierleistungen, sondern auch der Schauplatz eines dunklen Kapitels der deutschen Geschichte war. Die Ausstellung thematisiert diese tragische Vereinnahmung der genialen Vision des Gründers durch ein Regime, das seine Erfindungen für Kriegszwecke missbrauchte. Die Distanzierung des Individuums Hugo Junkers von der moralischen Verantwortung des Konzerns in dieser Zeit ist ein wesentliches Element dieser historischen Betrachtung.
Das Museum für den Besucher
Das Technikmuseum "Hugo Junkers" bietet Besuchern ein vielseitiges und interaktives Erlebnis. Die Planung eines Besuchs wird durch die umfangreichen Informationen des Museums und des Tourismusverbandes erleichtert.
Das Museum ist montags bis sonntags von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet, von November bis Februar gelten die Winteröffnungszeiten von 9:00 bis 16:00 Uhr.1 An Feiertagen wie dem 25. und 26. Dezember sowie am 1. Januar bleibt das Museum geschlossen.
Die Eintrittspreise gestalten sich wie folgt: Erwachsene zahlen 7 €, Kinder von 6 bis 15 Jahren 3 €, und eine Familienkarte kostet 17 €.22 Ermäßigte Tickets sind für 3.50 € erhältlich. Führungen durch das Museum können für 35 € gebucht werden und bieten tiefere Einblicke in Junkers' Werk und die ausgestellten Flugzeuge.
Das Museum ist sowohl mit dem Auto als auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar. Für Autofahrer stehen auf dem Gelände in der Kühnauer Straße 161a ausreichend Parkplätze zur Verfügung. Wer öffentliche Verkehrsmittel bevorzugt, kann vom Dessauer Hauptbahnhof aus die Buslinien Richtung Kühnau oder Ziebigk nutzen und an den Haltestellen "Finanzamt" oder "Landesverwaltungsamt" aussteigen.
Ein besonderes Highlight sind die interaktiven Flugsimulatoren. Neben einem IL 18-Simulator steht ein funktionsfähiger F 13-Simulator zur Verfügung, der Besuchern ab 14 Jahren ein virtuelles Flugerlebnis ermöglicht.
Das Museum ist ein lebendiger Ort, der durch zahlreiche Sonderausstellungen und Vortragsreihen ergänzt wird. Die Themen reichen von der regionalen Industriegeschichte, wie der Ausstellung über 150 Jahre BAMAG, bis zu globalen Luftfahrtgeschichten, wie der Junkers-Luftverkehr in Persien. Die regelmäßigen Vortragsveranstaltungen der "Arbeitsgruppe Themenkreis" behandeln diverse Fachthemen von der Luftfahrtgeschichte bis zu technischen Analysen. Die Tatsache, dass viele dieser Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Mitgliedern der Arbeitsgruppen organisiert werden, die sich auch aktiv an Restaurierungsprojekten wie dem Bau der F 13 beteiligen, zeigt die tiefe Verbundenheit einer engagierten Gemeinschaft mit dem Museum.12 Die Einstufung des Windkanals als Denkmal durch eine Initiative ehemaliger Junkers-Mitarbeiter ist ein Beispiel für dieses Engagement. Diese persönliche und hingebungsvolle Arbeitsweise ist ein entscheidender Faktor für die Lebendigkeit und Authentizität des Ortes.
Ein Ort der Reflexion und Inspiration
Das Hugo Junkers Museum in Dessau ist ein unverzichtbarer Ort für jeden, der sich für die deutsche Ingenieurgeschichte, die Luftfahrt und die Verflechtung von Technik und Gesellschaft interessiert. Der Besuch ist eine Reise, die die technische Brillanz eines Visionärs, die Faszination der Luftfahrt und die moralischen Herausforderungen der Geschichte in einem komplexen, aber notwendigen Kontext zusammenbringt. Das Museum feiert die bahnbrechenden Innovationen von Junkers, vom Ganzmetallbau seiner Flugzeuge bis hin zu seiner Verbindung zum Bauhaus-Stil, und vermittelt dabei ein tiefes Verständnis für die kausale Kette der technologischen Entwicklung.
Zugleich scheut das Museum nicht davor zurück, die dunkle Seite dieses Erbes zu beleuchten. Die Geschichte der Junkers-Werke als Rüstungsschmiede des Nationalsozialismus und die Rolle des Unternehmens im Krieg ist ein integraler Bestandteil der Ausstellung. Das Museum schafft eine kritische Distanz zwischen dem genialen Erfinder und der späteren Vereinnahmung seiner Werke, indem es Hugo Junkers' tragische Vertreibung aus seiner eigenen Firma thematisiert.
Das bleibende Erbe von Hugo Junkers lebt über das Museum hinaus in den Prinzipien des Ganzmetallbaus und in seinen Patenten fort. Sein Name steht heute auch im Designbereich, wie bei Uhren im Bauhaus-Stil, weiterhin für Präzision, Qualität und Innovation.8 Das Hugo Junkers Museum in Dessau ist somit nicht nur eine Hommage an einen Erfinder, sondern auch ein Ort der Reflexion, der dazu anregt, die komplexe Beziehung zwischen menschlicher Genialität und den Kräften der Geschichte zu hinterfragen. Es ist eine Mahnung, dass technische Meilensteine untrennbar mit den gesellschaftlichen und politischen Umständen ihrer Zeit verbunden sind.









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